Samstag, 14. November 2009

Alltagsdominanz Grunz-Grippe

Vor 5 Wochen liess ich mich gegen die saisonale Grippe imfpen, letzte Woche wäre H1N1 an der Reihe gewesen. Im Spital herrscht die totale Hysterie, die Imfpung ist Gesprächsthema Nummer eins. Da ich jedoch noch dabei bin, mit Hilfe von Antibiotika meine Pyelonephritis auszukurieren, habe ich die Impfung auf nächste Woche verschoben. Dienstag wirds eine Impf-Session geben, ein Impfcocktail vom feinsten. Da ich noch gleich die anfälligen für Panama machan lassen muss, wird Dienstag Abend der linke Arm am Schweinegrippe und der rechte wohl an Gelbfieber leiden. Und was auch immer noch dazu kommt!

Gestern arbeitete ich in der Kinderklinik, Innere Medizin. Während 6 Stunden durfte ich einen knapp 1,5 jährigen Säugling herumtragen und füttern, dafür gabs auch noch Geld. Welche Frau kann sich nicht vorstellen, auf diese Weise den Lebensunterhalt etwas aufzumotzen? Naja, Nachteile an dieser eigentlich schönen Arbeit gabs natürlich auch, sonst wäre ich ja überflüssig gewesen... Erstens habe ich heute Arme wie betongefüllte Rohre vom ewigen Rumtragen des Kleinen. Zweitens, und dies wäre das Traurige an der Geschichte, war der Bub nicht gesund. Nach einer banalen Wintergrippe fing der Kleine plötzlich an, tonische Krampfereignisse zu entwickeln.

Medizinischer Exkurs: Es gibt tonische und klonische Krämpfe. Bei den Epileptikern typischerweise tonisch-klonisch. Tonisch bedeutet, dass sich während etwa zehn bis zwanzig Sekunden der Körper versteift. Dies betrifft oft zunächst die Gesichtsmuskulatur und danach Arme und Beine. Daneben kommt es auch zu einer Anspannung der Muskulatur der inneren Organe. Klonisch hingegen ist der Begriff für das eigentliche Krampfen, das 30 bis 60 Sekunden, höchstens zwei Minuten dauert. Ein zunächst rascher und dann immer langsamer werdender Wechsel von Anspannung und Erschlaffung der Körpermuskulatur verursacht ein meist heftiges Krampfen oder Zucken. Die Augen bleiben in aller Regel geöffnet und werden gelegentlich eigenartig verdreht. Verstärkter Speichelfluss aus dem Mund kann bei gleichzeitigem heftigen Ausatmen zur Schaumbildung vor dem Mund führen, der bei einem zusätzlichen Zungenbiss auch blutig sein kann.)
Die Eltern gingen also sofort zum Arzt, der die Familie ans Kinderspital verwies. Mittels MRI konnte eine nekrotisierende Encephalopathie festgestellt werden. D.h., dass gewisse Areale im Gehirn, nämlich Hirnstamm, Thalamus und Putamen zerstört werden. Die Krankheit ist familiär vererbt und tritt nach fieberhaften Infekten auf.

Am Ende des Abends: Ich habe heute einen Jungen betreut, der vorher eine normale Entwicklung aufzeigte. Ein fieser Virus meinte dann im Herbst, er müsse diesen Jungen quälen und löste die Krankheit aus. Jetzt ist der 1,5-Jährige mit fast ständigen Schmerzen im Spital, biegt sich alle 2 Minuten nach dem Vorbild einer Banane durch. Stinkendes Furzen scheint die Beschwerden etwas zu lindern, helfen tuts auch nicht wirklich..

Ich gehe nach Hause und kann das unschöne Schicksal hinter mir lassen und werde die traurige Geschichte als kleine Akte in der Rümpelkammer meines Gehirn abspeichern.

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